Samstag, 7. Februar 2009

VMware prescht bei Desktop-Virtualisierung weit vor

VMware prescht bei Desktop-Virtualisierung weit vor - Computer Zeitung
Von Virtual Desktop Infrastructure (VDI) ist bei VMware nicht mehr die Rede. Jetzt heißt es VMware View, oder auch schon kurz VMview. Der Meister der Server-Virtualisierung fordert mit einer umfassenden Lösung Microsoft in der Fat-Client-Domäne und Citrix in Sachen Server-based Computing heraus.

Die Architektur von Vmware-View: Über den View Manager lassen sich eine Vielzahl von Maschinen in eine Server-zentrische Architektur einbinden. Der Composer sorgt für eine Speicher- und Administrationsaufwand reduzierende Versorgung der virtuellen Desktops mit Betriebssystemen und Anwendungen.

Aus VMware VDI wird VMware View 3, auf den Virtual Desktop Manager 2 folgt View Manager 3, und ein View Composer löst „Scalable Virtual Images“ ab. Das Paket ist noch nicht ganz komplett, einige Elemente werden erst im kommenden Jahr fertig. Es zielt auf einen wesentlich breiteren Markt als die etwas angestaubte Lösung VMware Workstation, die vor allem bei Entwicklern recht beliebt ist. VMware View enthält einige neue Elemente, die darauf angelegt sind, in großen Zahlen komplette Desktop-Umgebungen in Unternehmen auf Servern zu virtualisieren – ohne dabei eine Abschaffung der spezifischen Ausprägungen von PC-Arbeitsplätzen zu erzwingen.


Ein zentrales neues Element ist der View Composer. Statt jeweils einzelne virtuelle Desktops mit Anwendungen zu bestücken, nutzt es eine bisher als Linked Clones genannte Technik: Die Betriebssysteme und Anwendungen werden aus einem Master-Image auf virtuelle Desktops geklont. Das ist ein sekundenschneller Vorgang. Der größte Vorteil besteht darin, dass nur noch das Master-Image mit Upgrades oder Patches versorgt werden muss; die Neuversionen verbreiten sich bei jedem Aufruf automatisch.


Außerdem spart die Technik Speicherkapazität. Nach VMware-Angaben sind es bis zu 70 Prozent, was sich aber wohl nur realisieren lässt, wenn sich die Master-Images auf sehr viele identische virtuelle Desktops verteilen.


Noch einmal lässt die Neuerung ThinApp die Storage-Ansprüche schrumpfen. Sie trennt agentenlos die Anwendungen von deren spezifischen Daten. Das betrifft nicht etwa nur beispielsweise die Dokumente eines Office-Programms. Vielmehr umfasst es auch anwenderspezifische Einstellungen, beispielsweise individuelle Einstellungen der Benutzeroberfläche von Windows, Favoritenlisten in Browsern oder Anpassungen der Tool-Bar von Applikationen. Erneuerungen der Arbeitsmittel haben keine Rekonstruktion der Arbeitsumgebungen zur Folge.


Der View Manager sorgt für die Verbindungen zu Terminal-Servern, Blade- und physischen PCs, falls sie über das Protokoll RDP zugänglich sind. Bisher anscheinend noch nicht vollständig entwickelt, wird der Manager die zentrale Plattform für Administratoren sein, um die verschiedenen Views und die unterschiedlichen, zum Teil physischen Maschinen an den Arbeitsplätzen unter einen Hut zu bekommen. Im kommenden Jahr soll er als erstes zu einem Multiprotokoll-Broker werden, der weitgehend automatisch dafür sorgen soll, dass jeder User das den Anforderungen seiner Anwendungen am besten entsprechende Protokoll bekommt. Zur Auswahl werden RDP, ALP von Sun, TCX von Wyse, RGS von HP und PCoIP von VMware und Teradata stehen.


Das Drucken ist für User im Server-based Computing ein besonders ärgerlicher Aspekt. Schon PDF-Ausdrucke machen die „User-Experience“ zunichte: Alles ruckelt, weil große Dateien das Netzwerk blockieren. Bei VMware View hält Thinprint vom gleichnamigen Softwarepartner die Treiber auf dem Server vor und sorgt mit hocheffizienten Kompressionsverfahren für schnelle Übergabe der Druckaufträge an die lokalen Ausgabegeräte. Den gleichen Effekt hat Multimedia Re-Direct: Die Streams bleiben schlank, weil sie erst am Client dekodiert werden.


Eine der interessantesten Neuheiten gibt es bisher nur im „experimentellen“ Status: Offline Desktop. Anwender können ihren momentanen virtuellen Desktop per Mausklick („check out“) als virtuelle Maschine auf ihren Rechner importieren und ohne Netzwerk damit weiterarbeiten. Nach Wiederanmeldung des Geräts im Netz an einem anderen Ort oder nächsten Tag werden nur die inzwischen vorgenommenen Veränderungen mit der VM auf dem Server abgeglichen. Eine „Entführung“ der Umgebung auf andere Systeme, beispielsweise via USB-Stick, ist nicht möglich.


Diese Eigenschaften machen deutlich, dass VMware nicht mehr herumexperimentiert in Sachen Desktop-Virtualisierung. Das Unternehmen hat eine Lösung mit Features vorgelegt, die übliche Schwachpunkte der Virtualisierung von PCs auf Servern ebenso adressieren wie die Defizite marktführender Konzepte für Server-based Computing. VMware View ist der Start einer Offensive gegen Microsoft und Citrix.


Citrix hat sich unterdessen mit dem Wechsel vom Presentation Server auf Xenapp auf den Weg gemacht, aus der Gleichmacherei der Desktop-Umgebungen im klassischen Server-based Computing herauszukommen. VMware zeigt hier ganz neue Möglichkeiten – und macht es auch noch möglich, Notebooks vorübergehend komplett aus dem Firmennetz zu nehmen, um sie anderntags oder -orts wieder einzuchecken. Dabei werden sie auch noch sofort auf den neuesten Stand ihre Anwendungen und Sicherheitsumgebungen gebracht. Damit stehen die Citrix-Altmeister des Server-based Computing vor einer Herausforderung. Sie könne sich beglückwünschen, im Sommer letzten Jahres Xen gekauft zu haben. Sonst würden sie jetzt im Abseits stehen.


Der andere große Konkurrent in diesem Umfeld ist Microsoft. Deren Geschäftsbasis – leistungshungrige Applikationen auf immer stärkeren PCs – zerbröselt langsam: Die Anwender wollen nicht mehr ständig zum Kauf neuer Maschinen, Beriebssysteme und Anwendungen gezwungen sein; Thin Clients in einer Server-zentrierten IT-Umgebung könnten es auch tun. Der Support für Fat Clients benötigt zu viel kostspieliges Personal. Konkurrenten haben erst das Server-based Computing, dann die Virtualisierung besetzt. Netbooks reichen für Basisanwendungen; ein Viertel dieser Geräte läuft auf Linux-Basis.


Solche Entwicklungen sind kein gutes Omen für Microsoft. VMware kommt mit seiner „View“ -Virtualisierung in eine Zeit, in der eine ausgesprochen große Aufnahmebereitschaft für alternative Desktop-Konzepte herrscht.


VMware hat durch die Verknüpfung mehrerer Techniken einige Einwände gegen neue Herangehensweisen an das Desktop-Problem aus dem Weg geräumt, wenn auch nicht sämtliche Probleme gelöst sind. Dabei musste das Unternehmen kein technisches Erbe á là Presentation Server oder Windows mit sich herumschleppen. Diesen Vorteil hat es nun umgesetzt in ein Angebot, das der Konkurrenz am Markt die Messlatte hoch legt.


Eine zusätzliche Vorgabe ist der Preis. VMware View 3 gibt es in zwei Versionen: Die Enterprise Edition kostet pro gleichzeitiger Verbindung 150 Dollar. Sie enthält die Infrastructure Enterprise Edition und die View Manager. Die Premier Edition enthält außerdem ThinApp sowie den View Composer; für sie verlangt VMware 250 Dollar. In diesen Forderungen dürfte noch reichlich Luft für Preisschlachten sein.



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